OM10

Our House OM10 GmbH

Obere-Masch-Straße 10/10a
37073 Göttingen

omzehn.noblogs.org
Gründung:2015
Kauf:01.03.2017
Grundstück:1.020 m²
Gewerbefläche:345 m²
Wohnfläche:440 m²
Personen:22
Kosten:720.000 €
Miete:5,70 €/m²

Im Jahr 2015 – im langen Sommer der Migration – waren in Göttingen auch durch die Nähe zum Erstaufnahmelager Friedland die Folgen des Menschen verachtenden europäischen Grenzregimes für jeden sichtbar. Angesichts der vielen Menschen, die über die Balkanroute nach Deutschland gekommen waren, war der Anblick von leer stehenden Häusern unerträglich. Daher wurde das bereits sechs Jahre leer stehende Gewerkschaftshaus des DGB in der Oberen-Masch-Straße besetzt.

Anfangs stand vor allem die sofortige Hilfe für Geflüchtete im Vordergrund, die auf der Fahrt durch Deutschland am Bahnhof gestrandet waren. Mit gespendetem Baumaterial und Möbeln wurden schnell einige Räume wohnlich hergerichtet, um zu beweisen, dass man auch mit wenigen Mitteln viel erreichen kann. Gleichzeitig haben wir harte Verhandlungen mit dem DGB-Bundesvorstand um den Kauf des Hauses geführt.

Unter dem Eindruck der großen Solidarität, die die Besetzung in der Öffentlichkeit und auch bei Göttinger Gewerkschafter*innen erfuhr, konnten wir 2017 den Erfolg der Verhandlungen feiern. Wir mussten ganz neu planen: Jetzt ging es nicht mehr um provisorische Zimmer, sondern darum, aus dem ehemaligen Bürohaus ein Wohnhaus mit einer langfristigen Perspektive zu formen. Ein bunter Haufen aus Bewohner:innen, solidarischen Helfer:innen sowie reisenden und örtlichen Handwerker*innen hat inzwischen fast das ganze Haus von Grund auf saniert. Und in diesem Jahr steht noch der letzte Bauabschnitt mit dem Saalanbau an. So hoffen wir, dass wir unseren fünften Geburtstag im November mit erfolgreich saniertem Saal begehen können.

Wir, das sind 22 Bewohner*innen von 2 bis 55 Jahren, derzeit aus Nicaragua, Chile, Sudan, Irak, Iran, Kurdistan, Syrien, Bosnien und Deutschland, die sich übrigens alle (bis auf die zwei Familien im Haus) erst in der OM10 kennen gelernt haben. Wir leben teils in Wohngemeinschaften und teils in Familienwohnungen. Der einzige „Altmieter“ aus der Zeit vor der Besetzung ist der antifaschistische Fanklub des örtlichen Fußballvereins. Weitere Initiativen in unseren „Gewerbe“-räumen sind die Gruppe Frauen in Aktion, das Medinetz zur Unterstützung von Menschen ohne Krankenschein, die Sozialistische Jugend ‚Die Falken‘, die Ortsgruppe der FAU und eine Transgender-Gruppe. Und zu uns gehören noch weitere Aktive, die mit ihrem Wissen, mit Direktkrediten und mit Spenden für Wohnpatenschaften das Projekt möglich machen.

Die bunte Mischung von Bewohner*innen und externen Nutzer*innen und die Offenheit des Projekts durch die fast täglich genutzten Veranstaltungsräume sorgen dafür, dass das Projekt in das politische und soziale Leben der Stadt ausstrahlt.

Die OM10 mischt sich in die politischen Diskussionen ein – ob es um das Wohnen und Leben im Quartier, um die Unterbringung und Integration von Geflüchteten oder den Widerstand gegen Diskriminierung verschiedenster Art geht. Das Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Lebenssituationen und verschiedener politischer Einstellungen und Erfahrungen erfordert von uns allen ständige Kompromissbereitschaft (Stichwort „Fassadenfarbe“) und die Bereitschaft voneinander zu lernen, aufeinander zu hören und uns gegenseitig Power zu geben.

Alles zu schön um wahr zu sein!? – ein Problem drückt uns allerdings: Wie in vielen anderen Projekten ist das Wissen um das Projekt und die Identifikation mit dem Projekt noch ungleich verteilt. Die externen Aktiven sind überproportional in Verwaltung und praktischer Arbeit ums Haus vertreten.

Aber das kriegen wir auch noch hin!