Es kam nicht, wie es kommen sollte

Feste Vernetzung

Indem das Syndikat die Wächterrolle nicht nur bei einem, sondern auch bei anderen Hausprojekten übernimmt, entsteht eine feste Vernetzung zwischen den einzelnen Projekten mit dem Syndikat als Knotenpunkt. Kein GmbH- Gesellschafter kann den anderen rauswerfen. Ein Ausstieg eines Gesellschafters aus der Haus-GmbH ist zwar jederzeit möglich, der Anreiz aber echt gleich Null: Der GmbH-Vertrag legt fest, dass der Gesellschafter nur den Nennwert seiner einbezahlten Stammeinlage zurück erhält. Die Wertsteigerungen und Entschuldungsgewinne verbleiben in der Haus- GmbH und damit bei dem anderen Gesellschafter. Die durch das Syndikat vernetzte Struktur mit GmbH’s als Grundmodulen unterscheidet sich also grundsätzlich von einem vereinsartigen Dachverband von Hausprojekten, bei dem jedes Projekt nach belieben wieder austreten kann. Entlang dieser GmbH-Struktur wird der Solidartransfer von alten zu neuen Projekten organisiert. Ab 1992 zahlen die MieterInnen im Grether neben ihrer Miete monatlich 50 Pfennig je Quadratmeter in den Solidarfonds, den das Syndikat verwaltet.

Grether Ost

Parallel zur Entwicklung der Syndikatstruktur gerät das Grether ab 1990 wieder in stürmischeres Fahrwasser. Das geplante und über Jahre erkämpfte Zentrum des AAK (Arbeitskreis Alternative Kultur) in der Gießereihalle des Grethergeländes steht vor dem Aus. Trotz mehreren positiven Gemeinderatsbeschlüssen stellt sich zur großen Überraschung der Öffentlichkeit heraus, dass die Stadtverwaltung eine entsprechende Änderung des Bebauungsplanes „vergessen hat“. Später zugezogene Großinvestoren, u.a. die Industrie- und Handelskammer, bringen das Projekt baurechtlich zu Fall. Als dann noch Altlasten entdeckt werden, stehen die Uhren auf Abriss von fast der Hälfte des Gesamtgeländes.

Ich will hier nicht die ganze Geschichte erzählen: Unter dem Label der Grether Ost GmbH, die als erste nach dem neu entwickelten Modell konzipiert ist, gelingt es, die Pläne der Stadtverwaltung zu durchkreuzen. Nach mehreren Jahren schon traditionellen „Kampfmauerns“ in fremden Gebäuden inklusive Altlastensanierung kann 1996 das östliche Grethergelände erworben werden.
Das zweite Label, unter dem die Auseinandersetzung geführt wird, ist „Mietshäuser in Selbstorganisation“, wie die Idee des projektübergreifenden Solidarzusammenhangs seit 1990 genannt wird und die 1994 ihren endgültigen Namen erhält: Mietshäuser Syndikat.

Stefan Rost, 2003/2019