Es kam nicht, wie es kommen sollte

Die neue Idee ist eine alte

Während der Schnitzeljagd nach Rechtsformen müssen wir überrascht feststellen, dass wir nicht als erste das Solidarfondsprinzip und seine Möglichkeiten im Mietshausbereich entdeckt haben. Beim Blättern in unseren Unterlagen finden wir einen Artikel von Klaus Novy aus der Zeitschrift ARCH+ von 1982. Den hatten wir damals zwar gelesen, aber als jenseits unserer aktuellen Sorgen befindlich gelocht und abgeheftet.

Klaus Novy, Professor für Wohnungsökonomie an der TU Berlin, geht von der speziellen Berliner Situation aus: Dutzende von besetzten Häusern werden legalisiert und können von den HausbewohnerInnen äußerst günstig gekauft werden. Eine muntere Diskussion um geeignete Trägerformen für die einzelnen Häuser ist im Gang: Genossenschaft, Verein, Erbbaurecht, Stiftungsmodell und Kombinationen aller Art. Klaus Novy bringt exakt das gleiche Solidarfondskonzept und einen projektübergreifenden Blickwinkel in die Debatte ein. Er plädiert, diese einzigartige, wohnungspolitische Chance nicht vorüber ziehen zu lassen: Ein Bestand aus Dutzenden von kostengünstigen Mietshäusern gäbe einen soliden Grundstock für einen Solidarfondsverbund.

… und schon in den 1920ern

Martin Wagner

Durch andere Veröffentlichungen von Klaus Novy erfahren wir, dass der Bauhaus-Architekt und Berliner Baustadtrat Martin Wagner bereits in der genossenschaftlichen Aufbruchzeit der 20er Jahre das Solidarfondsmodell einführen wollte. Seine strukturellen Überlegungen zielen darauf, das Standardmodell der wachsenden Wohnungsgenossenschaft abzulösen durch eine duale Gliederung: Eine Primärebene mit kleinen, überschaubaren und nicht-wachsenden Hausgenossenschaften; die ihren Bestand selbstverwalten und regelmäßige Solidarabgaben abliefern an Sekundärgenossenschaften. Die agieren nur auf der Sekundärebene, in dem sie Wohnungsbau für neue kleine Hausgenossenschaften organisieren.

Martin Wagner scheitert am Eigeninteresse der wachsenden Genossenschaften und ihrer Funktionäre. Auch sechzig Jahre später greift kein Projekt den Vorschlag von Klaus Novy auf. Der Wohnbund e. V., den Klaus Novy 1983 als Zusammenschluss und Interessenvertretung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten und Baufachleuten mit gründet, versucht das Solidarfondskonzept jahrelang zu transportieren – erfolglos. Wir Nachzügler stoßen 1989/90 beim Wohnbund auf resignierte Stimmen, als wir tatendurstig mit unserer frisch entdeckten Solidarfondsidee aufkreuzen. Praktische Tips, wie ein Solidarfondskonzept organisiert werden könnte, gibt es leider auch nicht. Wir sind Jahre zu spät, das Thema ist dort abgehakt.

Die wachsende Genossenschaft

Es gibt eine einfache und klassische Lösung für den Solidartransfer von alten zu neuen Mietshäusern. Die wachsende Wohnungsgenossenschaft. Wenn unser Grether-Projekt Überschüsse macht, kann es damit neue Häuser bauen oder kaufen. Das Grether versteht sich dann nicht mehr als Einzelhausprojekt, sondern als wachsende Genossenschaft. Die Überschüsse bleiben in der Firma, deren Vermögen quasi identisch ist mit dem Solidarfonds. Im Rahmen von Vermögensumschichtungen innerhalb des Unternehmens läuft der Transfer von den alten, entschuldeten Häusern zu den neuen Projekten und kommt so neuen MieterInnen zu Gute.