Es kam nicht, wie es kommen sollte

Keine Neue Heimat

Dieses Modell ist von vornherein außerhalb jeder Diskussion. Die 80er Jahre sind geprägt von öffentlichen Skandalen um Korruption und Misswirtschaft bei genossenschaftlichen und anderen gemeinwirtschaftlichen Großunternehmen wie der Neuen Heimat. Für eine Mark wechseln riesige Wohnungsbestände über Nacht und über den Kopf der MieterInnen den Besitzer. Sozialbindungen lösen sich in nichts auf. Gemeinnützige Satzungsbestimmungen sind in Jahrzehnten des Wachstums zum bloßen Marketinginstrument einer gewinn- und macht- orientierten kapitalistischen Unternehmungsführung transformiert. Die GenossInnen von Großgenossenschaften sind zwar noch formell die MitbesitzerInnen, haben aber aufgrund mangelnder Transparenz und Einflussmöglichkeiten oft kaum mehr als MieterInnenstatus. Hinzu kommt, dass auch die kleineren der Großgenossenschaften, z.B. die vor Ort in Freiburg, die politischen Aktivitäten der Newcomer mit ihren offensiven Strategien zur Wohnraumsicherung im Bestand misstrauisch beäugen. Die Antipathie ist durchaus gegenseitig. „Heute stehen diese stummen Denkmäler vergangener Selbsthilfebewegungen den neuen sozialen Bewegungen eher im Wege, lähmend und bedrohlich zugleich. Daher stimmt der Satz: ‚Wir müssen wieder ganz von vorne anfangen‘ nicht. Es ist noch viel schlimmer!“ (Klaus Novy 1983)

Ausgangspunkt Einzelhausprojekt

Schon auf Grund dieser negativen Vorbilder ist bei uns niemand bereit, ein Grundelement als Ausgangspunkt des Solidarzusammenschlusses auch nur ernsthaft in Zweifel zu ziehen: das rechtlich selbstständige, als Körperschaft organisierte Einzelhausprojekt, z.B. als eingetragener Verein oder als Genossenschaft. Das ist auch alles, was klar ist. Am Anfang der Suche wollen wir noch ganz naiv die Solidarfondsbeziehung zwischen den Projekten durch einseitige Verpflichtungserkärungen der Hausprojekte festlegen, und fertig. Je tiefer wir uns in die Materie einarbeiten, desto mehr Probleme und Konflikte geraten in unser Blickfeld. Als zentral kristallisiert sich die Frage heraus:
Wie dauerhaft sind überhaupt die alten Hausprojekte in diesem Verbund zu halten? Können oder wollen wir verhindern, dass sie schließlich doch Ade sagen, wenn eine neue Generation von BewohnerInnen mit den Verpflichtungen ihrer Altvorderen nichts mehr zu tun haben will und diese aufkündigen, was rechtlich immer möglich ist?
Wenn aber die alten, entschuldeten Projekte sich immer wieder rausziehen, macht ein Solidarfonds wenig Sinn. In der Freitags-AG (so heißt Anfang der 90er die Solidarfonds-Gruppe) basteln wir Woche für Woche an einem langwierigen Puzzlespiel aus dem unerschöpflichen Kasten der Rechtsformen, ihrer Abarten und Kombinationsmöglichkeiten.

Enttäuschte Liebe

Lange Zeit favorisieren wir wie andere Projekte die eingetragene Genossenschaft als Rechtsform für die Hausprojekte, ohne uns durch Schwerfälligkeit, aufwendigen Formalkram und ein Leben unter der Fuchtel der Prüfungsverbände ernsthaft abschrecken zu lassen. Spät, aber rechtzeitig genug fällt der Groschen und wir entdecken verblüfft, dass die e.G. für unsere Zwecke von vornherein ungeeignet ist.
„Jede Mark den Genossen!“ Dieser plakative Grundsatz und seine Verankerung im Genossenschaftsgesetz haben sicher ihren Sinn als Schutzvorschrift gegen korrupte Vorstände, die Gelder der GenossInnen in trübe Kanäle leiten wollen. Leider verbietet diese Regelung genau das, was wir organisieren wollen: den Transfer von Überschüssen von der wohlhabenden älteren Hausgenossenschaft zur bedürftigen, kapitalschwachen jungen Initiative. Wir begreifen, dass die e.G. vom Prinzip her als relativ geschlossene, selbstbezogene Wirtschaftseinheit konzipiert ist, mit dem erklärten Ziel, „die Wirtschaft ihrer Mitglieder zu fördern“. So legt es § 1 des Genossenschaftsgesetzes fest und meint damit „genau ihrer Mitglieder“ und niemand anders sonst. Mit dem Rest der Menschheit tritt die Genossenschaft auf dem Markt in kapitalistische Austauschbeziehungen. Das ist ihr gutes Recht, aber was haben wir damit zu schaffen?