Es kam nicht, wie es kommen sollte

Das Schwarze Loch von 1989

Eine aktuelle Bauabrechnung im Sommer 1989 lässt auf eine Kostenüberschreitung von 200.000 DM bis Fertigstellung schließen. Das ist zwar nicht unüblich: Keine 10 %, gemessen am Bauvolumen von 2.400.000 DM, mit dem preisgünstige Wohn- und Gewerberäume auf rund 1.700 m2 Nutzfläche geschaffen werden. Die Kostensteigerung liegt auch nur zum kleinen Teil an der langen Bauzeit, die immer mal wieder durch Stress mit der Stadt, Geldmangel oder Engagement der Baugruppe bei Hausbesetzungen außerhalb des Grethers unterbrochen wird. (Schon damals wird emsig am legendären Ruf des Grethers als der längsten Baustelle der Stadt – gleich nach dem Freiburger Münster – gewerkelt.) Aber auch wenn es nur knapp 10 % sind: 200.000 DM sind eine Menge Geld und einfach nicht da. Was tun? Eine kleine Arbeitsgruppe nimmt sich des Problems an und nähert sich mutig dem „Schwarzen Loch“, wie die Kostenüberschreitung intern genannt wird und wie auf dem Rücken des Ordners zu lesen ist, in dem die Aufzeichnungen und Arbeitsergebnisse der Gruppe abgeheftet werden.

Kredit direkt

Erster Vorschlag der Arbeitsgruppe ist, das Finanzierungsloch durch viele kleinere und größere Privatdarlehen aufzufüllen, die ab sofort offensiv bei UnterstützerInnen im Umfeld des Projektes geworben werden sollen – direkt und ohne eine Bank dazwischen. Denn die regulären Bankzinsen sind in den 80ern exorbitant hoch (8–10 %), was die Mieten ins Unbezahlbare abdriften ließe. Außerdem beäugen die Freiburger Banken das Grether misstrauisch, was ganz auf Gegenseitigkeit beruht. Privatdarlehen sind auch kein neues Finanzierungsinstrument, sondern von Anfang an der solide Grundstock der Projektfinanzierung. Durch den Kampf um „Staatsknete“ – Fördermittel des sozialen Wohnungsbaus und Sanierungszuschüsse – sind sie in den Hintergrund getreten. Das wird geändert: Der „Direktkredit“ wird zum Markenzeichen des Grethers und der späteren Syndikatsprojekte.

Ein Abfallprodukt mit Folgen

Auf der Suche nach einem pfiffigen Werbekonzept ist die Arbeitsgruppe fündig geworden. Die Kreditwerbung soll verbunden werden mit einer neuen Ausrichtung des Projekts nach dem Motto: „Ihr gebt dem Projekt zinslose oder zinsgünstige Kredite. Wir verpflichten uns, diese Unterstützung nicht in unserem Projekt versickern zu lassen, sondern an neue Projekte weiter zu leiten.“ Was soll das? Diesem zweiten Vorschlag der Arbeitsgruppe liegt eine eher zufällige Entdeckung zu Grunde; ein Abfallprodukt, denn es erfüllt ganz und gar nicht die Aufgabe, Geld fürs Bauprojekt zu beschaffen. Im Gegenteil: Das Grether-Projekt, das unter chronischem Geldmangel gepaart mit unverwüstlichem Optimismus leidet, soll paradoxerweise auch noch Geld abführen: in einen sogenannten Solidarfonds. Was hat die SchwarzeLoch- Gruppe aus der Kurve getragen? Das fragt sich mancher auf dem Grether-Plenum, wo im Herbst 1989 die frischgebackene Solidarfondsidee zur Diskussion gestellt wird.